Amnesty Report Albanien 24. April 2024

Albanien 2023

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Journalist*innen wurden 2023 zum Ziel von Hassreden und tätlichen Angriffen. Unbekannte gaben Schüsse auf das Gebäude eines Fernsehsenders ab. Häusliche Gewalt gegen Frauen war nach wie vor weit verbreitet; zwölf Frauen wurden von ihren Partnern oder Familienangehörigen getötet. Albanien und Italien vereinbarten den Bau von zwei Hafteinrichtungen in Albanien für Migrant*innen, die Italien zu erreichen versuchen. Der UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau verzeichnete mangelnde Fortschritte bei der Gewährleistung der Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) in Albanien. Der Straftatbestand der "Verbreitung von Infektionskrankheiten aus Nachlässigkeit" wurde abgeschafft. Im Zuge einer Justizreform wurde die Anzahl der Gerichte reduziert, was die Sorge weckte, dies könne den Zugang zur Justiz erschweren.

Hintergrund

Bei den Kommunalwahlen im Mai 2023 erzielte die regierende Sozialistische Partei Albaniens (Partia Socialiste e Shqipërisë) das beste Ergebnis.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im März 2023 gaben Unbekannte aus einem Fahrzeug Schüsse auf den Hauptsitz des albanischen Fernsehsenders Top Channel ab und töteten dabei einen Wachmann.

Im Januar 2023 wurden in der Stadt Lezhë ein Journalist und seine Frau von zwei Geschäftsleuten tätlich angegriffen, nachdem ein Artikel des Journalisten über ein Gerichtsverfahren erschienen war. Auch Politiker*innen nahmen Journalist*innen ins Visier. Erion Veliaj, der Bürgermeister der Hauptstadt Tirana, bezeichnete eine als "O.X." bekannte Enthüllungsjournalistin als "Auftragsmörderin", weil sie in einem ihrer Artikel die Beteiligung des Bürgermeisters an einem Müllverbrennungsprojekt in Tirana beleuchtet hatte. 

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Häusliche Gewalt gegen Frauen war 2023 in Albanien weit verbreitet. Nach Polizeiangaben wurden in den ersten drei Monaten des Jahres mehr als 1.000 Fälle von Gewalt gegen Frauen gemeldet. Sie führten zu 510 Schutzanordnungen. Im Jahr 2022 registrierte die Polizei 5.210 Fälle häuslicher Gewalt, doch die Staatsanwaltschaft gab im März 2023 bekannt, dass nur in 1.880 Fällen Ermittlungen eingeleitet wurden. In 92,8 Prozent der Fälle waren Männer für die Angriffe verantwortlich. Zwischen Januar und September 2023 wurden zwölf Frauen von ihren Partnern oder anderen Familienangehörigen getötet.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Im November 2023 unterzeichneten Albanien und Italien ein Abkommen, dem zufolge Italien in Albanien zwei Hafteinrichtungen bauen wird, um dort Personen zu inhaftieren, die bei dem Versuch, die italienische Küste zu erreichen, von den italienischen Behörden auf See aufgegriffen werden. Menschenrechtsorganisationen und andere Organisationen äußerten sich besorgt über die Auswirkungen, die dies auf die Menschenrechte von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migrant*innen haben könnte – u. a. würden sie bei dieser Vorgehensweise automatisch und damit willkürlich inhaftiert.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im Oktober 2023 wies der UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) darauf hin, dass es Albanien nicht gelungen sei, die Diskriminierung von lesbischen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Frauen mithilfe des Nationalen Aktionsplans Albaniens für LGBTI+ zu beseitigen, der von 2016 bis 2020 Anwendung fand. Der CEDAW-Ausschuss äußerte vielmehr Besorgnis angesichts eines zunehmend feindseligen Umfelds, mit dem diese Personengruppen in Albanien konfrontiert seien.

Recht auf Gesundheit

Das Verfassungsgericht hob Paragraf 89b des Strafgesetzbuchs als unverhältnismäßig auf. Der Paragraf, der während der Coronapandemie in Kraft getreten war, sah eine Haftstrafe von bis zu acht Jahren für die unbeabsichtigte Verbreitung von Infektionskrankheiten vor, die schwere Folgen nach sich ziehen oder Menschenleben gefährden können.

Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

Am 1. Februar 2023 trat die neue Justizreform in Kraft, mit der die Zahl der Gerichte in Albanien von 34 auf 16 reduziert wurde. Es wurden Befürchtungen laut, dies könne den Zugang zur Justiz teurer und schwieriger machen.

Recht auf Leben

Im Dezember 2023 erschoss ein Insasse des Hochsicherheitsgefängnisses in Peqin einen Gefangenen und verletzte einen weiteren, was Bedenken hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen des Gefängnisses weckte.

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